Wirtschaftsgymnasium feiert 35 Jahre Schulhistorie
11.07.2018
Wirtschaftsgymnasium am BKW - ein Erfolgsmodell
Wenn jemand es „draufhat“, die Menschen in angemessen kurzen Worten umfassend zu informieren, dann ist es wohl Heiner Coenen. Er leitete nicht nur 25 Jahre lang bis zu seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst im Jahr 2012 die Geschicke des Wirtschaftsgymnasiums im Berufskolleg Wirtschaft des Kreises Heinsberg am Berliner Ring in Geilenkirchen.
Er durfte als ewig suchender Chronist bei der Geburtstagsfeier im Forum der Schule in nur elf Minuten die Schulhistorie gekonnt Revue passieren lassen.
35 Jahre jung ist das Wirtschaftsgymnasium, und wie im eigens entworfenen Logo dazu kommen Noten, Freunde, Spaß, Erinnerung, Lehrer und Gemeinschaft nicht zu kurz. Das 1962 gebaute Schulgebäude am Berliner Ring stand damals nicht nur noch quasi auf dem freien Feld. Es beherbergte auch erst Anfang der 80er Jahre den Vorgänger des Wirtschaftsgymnasiums in Form des Angebots an gute Schüler der damaligen Höheren Handelsschule, in einem dritten Jahr das Abitur zu machen.
Neben Heiner Coenen und weiteren Lehrkräften waren in dieser Extra-Jahrgangsstufe noch Manfred Adams, Dr. Herbert Claßen, Franz-Josef Lohmann, der spätere Schulleiter Dr. Horst Wamper und Alfred Wolters beim Start dabei. Mit der ersten offiziellen Bezeichnung als „Dreijährige Höhere Berufsfachschule mit gymnasialer Oberstufe“ sei, so Coenen scherzhaft, die „wegen ihrer Unverständlichkeit und Länge sofort als Killer-Label empfundene Bezeichnung“ einer bis dato nicht existenten Schulform geboren worden.
Spannende Gründerjahre
Die Gründerjahre umschrieb Chronist Coenen als „absolut spannende Zeiten“, die auch in Rekorden mündeten. So war die Schule in Geilenkirchen mit ihrer damaligen Vierzügigkeit bis Anfang der 1990er Jahre die größte Schulform dieser Art im Regierungsbezirk Köln.
Obwohl in der Folge andere Städte und Kreise nachzogen, die Schülerzahlen sanken, sei die Existenz dieser Schulform aber nie gefährdet gewesen. „Es bleibt für mich und meine Kollegen die Erinnerung an im Prinzip oft beeindruckende Schüler, die mich und viele Kollegen mit ihrer Energie und Lebendigkeit gesund gehalten und dafür gesorgt haben, dass wir immer neugierig auf Neues blieben und bleiben“, so Coenen zum Abschluss.
Natürlich kamen auch die Schulleiterin Gabriele Kaspers und die aktuelle Bereichsleiterin des Wirtschaftsgymnasiums, Petra Pascher, zu Wort. Letztere freute sich nicht nur über hohe Schülerzahlen am Wirtschaftsgymnasium in den letzten 35 Jahren. „Viele ehemalige Schülerinnen und Schüler haben mittlerweile Führungspositionen in der Wirtschaft und Verwaltung“, schloss sie. Und ehe es zum gemütlichen Teil an Grill, Getränkestand und einer Schulführung ging, gab Gabriele Kaspers der Bereichsleitung noch ein paar Gedanken mit auf den Weg.
von Markus Bienwald
Quelle: http://www.aachener-zeitung.de/lokales/kreis-heinsberg/wirtschaftsgymnasium-feiert-35-jahre-schulhistorie-1.1937720
Hier die vollständige Festrede von Heiner J. Coenen, der das Wirtschaftsgymnasium 25 Jahre lang leitete:
Anmerkungen zu 35 Jahren „Wirtschaftsgymnasium“ am Berufskolleg Wirtschaft in Geilenkirchen
Heiner J. Coenen, 2018-07-07
- Die gute Nachricht zuerst: In 11 Minuten – im Rheinland muss die Zahl 11 immer mal irgendwo vorkommen – haben Sie Ihre Freiheit wieder.
Die schlechte Nachricht lassen wir einfach weg.
Natürlich könnte man beginnen mit: „Ach Kinder, wie schnell die Zeit vergeht!“ Das klänge vielleicht interessant, wäre es aber nicht.
- Diese Anmerkungen hier verstehen sich als streng subjektiv – und sind doch geprägt von der großen Achtung vor vielen Schülerinnen- und Schülergenerationen, die wir hier – für mich und viele Kolleginnen und Kollegen ein absolut glücklicher beruflicher Umstand – 35 Jahre lang begleiten durften.
(Wenn Sie diesen Satz erfassen konnten, besteht noch Hoffnung, denn er bestand aus 40 Wörtern und der durchschnittliche Boulevard-Zeitungsleser steigt bei Sätzen aus, die mehr als 18 Worte umfassen.
Das ist auch nachvollziehbar, denn als Amerikanischer Präsident, braucht man heute zur Mitteilung oft unterirdischer Inhalte auch nur noch 140 Zeichen, arrangiert in ausgesprochen rudimentärer Syntax.)
- Nach langen Wanderjahren kam ich 1982 als junger Studienrat wieder zurück an diese Schule, die damals noch „Kaufmännische Schulen des Kreises Heinsberg“ hieß. An dieser Schule war ich von 1961 bis 1964 während meiner dreijährigen Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann Berufsschüler gewesen. Das Ausbildungsjahr 1961/62 hatten wir noch im Gebäude der heutigen Kreishandwerker-schaft an der Nikolaus-Becker-Straße in Geilen-kirchen verbracht, bevor wir dann 1962 das erste neue Schulgebäude hier am Berliner Ring bezogen. Es lag damals im Prinzip noch mitten im Feld.
Erste Hälfte 1960er-Jahre. Fortsetzung des „Wirtschaftswunders“.
- Ab Anfang der 1980er-Jahre gab es dann bei uns hier eine Vorgängerform des heutigen Wirtschafts-gymnasiums: Gute Höhere-Handelsschul-Schüler-innen und -schüler konnten nach der Unterstufe in zwei weiteren Jahren das Abitur machen. Kollegen, an die ich mich da gut erinnere: Manfred Adams, Dr. Herbert Claßen, Franz-Josef Lohmann – ein sehr interessanter Mensch mit leicht melancholischem Einschlag, der zu Berufsschulzeiten noch mein Deutschlehrer gewesen war – Dr. Horst Wamper, Alfred Wolters und weitere Kolleginnen und Kollegen.
- Man sah an dieser personellen Besetzung schon, dass die Schule und der Kreis Heinsberg eine gymnasiale Form wirklich ernsthaft ins Auge gefasst hatten.
- Und dann kam sie: Die „Dreijährige Höhere Berufsfachschule mit gymnasialer Oberstufe“. Diese wegen ihrer Umständlichkeit und Länge sofort als ‚Killer-Label‘ empfundene Bezeichnung, war nichts anderes als der Versuch, diese neue Schulform innerhalb des damaligen gymnasialen Angebots über dieses Wortmonstrum zu erledigen!
- Sei’s drum: Dr. Wamper legte 1986 bei der Konferenz innerhalb seiner Bewerbung als zukünftiger Schulleiter viele Seiten umfassende Richtlinien für die neue Schulform vor, die er mit Kolleginnen und Kollegen zuvor ein Jahr lang in Soest erarbeitet hatte.
Bei einer Lehrerkonferenz 1987, wurde zum Thema, dass es jetzt aber auch einen „Oberstufenkoordinator“ brauche. So kam ich an den Job, den ich dann 25 Jahre bekleiden sollte.
- Absolut spannende Zeiten, wie sie in Gründungs-phasen wohl oft so sind. Ich erinnere mich an eine gemeinsame Zugfahrt mit Horst Wamper nach Düsseldorf zu einem Abstimmungsgespräch über die für uns neue Schulform. Nachmittags, denn es durfte „für sowas“ natürlich kein Unterricht ausfallen. Als wir nach der Tagung wieder nach Hause fuhren, waren zwei Dinge klar:
- Die anderen wussten auch nicht mehr als wir.
- Wir würden diese Chance, ‚die wir eigentlich nicht hatten‘, beherzt ergreifen.
Jedenfalls, ohne Dich, lieber Horst Wamper, hätte es diese wichtige und erfolgreiche Schulform hier bei uns nicht gegeben!
Bis Mitte der 1990er-Jahre waren wir vierzügig geworden, und damit die größte Schulform dieser Art im „Regierungsbezirk Köln“
- Wirksam wurde jetzt aber auch das Gesetz der Marktwirtschaft, dass Erfolg Konkurrenz auf den Plan ruft: Als Nachbarn in Richtung Aachen gründete dann Herzogenrath eine gymnasiale Oberstufe, Richtung Mönchengladbach die Kreis-Nachbarn in Erkelenz. Die Folge war für uns Dreizügigkeit oder zeitweise sogar Zweizügigkeit. Die Existenz dieser Schulform bei uns war aber nie gefährdet.
- Viel Arbeit in des Wortes mehrfacher Bedeutung
Lehrerinnen und Lehrer müssen immer sehr viel arbeiten, wenn sie gut sein wollen. Schülerinnen und Schüler auch.
Manchmal kommt es aber dann auch zu Verschie-bungen, zu Unschärfen auf den begrifflichen
Ebenen. Wenn in der heutigen Hype-gesteuerten digitalen Welt oft „Maximum“ mit „Optimum“ verwechselt werden – und vieles andere auch, so ging das bei uns nie: Wir haben ständig hart daran gearbeitet, immer besser zu werden.
- Unvergesslich in diesem Zusammenhang bleibt für mich eine BWL-Klausur, die erste, die die betreffende Schülerin in dieser Schulform bei mir schrieb. 28 dicht beschriebene Seiten. Hört sich stark an, war aber zunächst mal nur viel. Eines der Probleme: „Wie herum die nächste Seite halten – um weiter zu lesen?“
Wenn das geklärt war: „Worauf beziehen sich die Ausführungen in dieser Klausur jetzt?“ Jedenfalls, soviel war klar, nicht auf den Abschnitt vorher, und auch nur sehr entfernt auf den in dieser Frage- und Aufgabenstellung zu diskutierenden Sachverhalt.
- Auflösung der Geschichte: Die Abiturarbeit dieser Schülerin drei Jahre später war deutlich kürzer, strukturierter und damit viel besser. Stichworte: Density, Dichte.
- Später wurde diese Schülerin meine Kollegin und meine Nachfolgerin in der Organisation von „Gast des Jahres“: Es war und ist die hier gut bekannte Gertrud van Montfort!
- Und vielleicht noch ein Beleg dafür, dass wir hier offensichtlich nicht alles falsch gemacht hatten? Okay: Mein ehemaliger Schüler Rainer Meessen ist heute und hier Mitglied dieses Kollegiums. Waren und sind wir hier vielleicht „nachhaltig“ unterwegs?
- Was bleibt subjektiv aus meiner Sicht „in the long run“?
- Fünf Studienreisen mit Schülerinnen und Schülern dieser Schule und dieser Schulform nach Italien, davon eine in die Toskana und vier nach Rom, eine nach Prag, zwei nach Schottland, davon eine mit einer Delegation des Kreises Heinsberg zum Partnerkreis Midlothian, das ist die Gegend rund um Edinburgh – großartige Menschen, diese Schotten. Oberkreisdirektor Dr. Thönnissen, ein gebildeter Schöngeist, war der Expeditionschef.
Ich gab den Übersetzer.
Heute treffe ich Dr. Thönnissen sieben oder acht Mal im Jahr bei den sogenannten Meisterkonzerten der VHS des Kreises Heinsberg in der Stadthalle Erkelenz. So ist das, wenn Du in die „Ehrenabteilung“ (Fachsprache Feuerwehr) versetzt worden bist: Dann musst Du Montagsabends nach Erkelenz, klassische Musik hören!
Tut aber gar nicht weh: alles ganz professionelles Niveau.
- Natürlich war ich mehrmals mit Klassen in England.
Dort konnten wir in Cambridge zum Beispiel ziemlich beeindruckt beobachten, wie ein wohl japanischer Student den ganzen lieben langen Tag in unserer Nähe herumwuselte, sich Notizen machte, fotografierte, las – während wir im Sonnenschein lagerten und den lieben Gott einen guten Mann sein ließen.
Asiatisches Arbeitsethos versus Europäische Entspanntheit. Reisen bildet.
- 2001 habe ich mit sechs oder sieben Schülerinnen und Schülern des Wirtschaftsgymnasiums an einer Internationalen Jugendkonferenz in Midlothian teilgenommen. Mitgebracht haben wir damals ein Wort, das es dann hier sogar ins Schulprogramm geschafft hat: Respekt!
Es findet sich noch heute im Schulprogramm des Berufskollegs Wirtschaft in Geilenkirchen unter „Leitziele“ – und da gehört es auch hin!
Es bleibt für mich und meine Kolleginnen und Kollegen die Erinnerung an im Prinzip oft beeindruckende Schü-lerinnen und Schüler, die mich und viele Kolleginnen und Kollegen mit ihrer Energie und Lebendigkeit gesund gehalten und dafür gesorgt haben, dass wir immer neugierig auf Neues blieben und bleiben.
Wenn ich heute Petra Pascher als „Bereichsleiterin Wirtschaftsgymnasium“ in meiner Nachfolge sehe, dann ist mir nicht bange um diese Schulform an dieser Schule.
Ja, wir alle haben manchmal tierisch viel arbeiten müssen, aber damit waren wir dem Sinn des Lebens vielleicht auch ein wenig auf der Spur.
Vielen Dank für Ihre Geduld!
Anmerkungen zu 35 Jahren „Wirtschaftsgymnasium“ am BKW Geilenkirchen
Fotos: Beate Jakobs
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